Weihnachten in Santa Fu


Weihnachten war schon immer die geheimnisvolle Zeit voller Phantasie und Mirakel. Heute gibt es nur Kommerz, aber keine Wunder? Vielleicht erinnern Sie sich an jene Zeitungsmeldungen des letzten Weihnachtsjahres: Unbekannter stiftet Millionensumme für Klinikneubau. Dramatische Operation am Weihnachtsabend. Was sich hinter diesen reißerischen Schlagzeilen verbarg? Ganz einfach: Ein Weihnachtswunder!

Es war ein schneidend kalter Weihnachtsnachmittag. Der Wind pfiff scharf vom Meer durch die leeren Straßen und Plätze. Aber besonders kalt war es hinter den meterdicken Gefängnismauern - denn hier nagte noch die Kälte der Einsamkeit und Verzweiflung. Tasso saß allein in seiner Zelle. Er war ein Verbrecher, einer der übelsten Sorte. Er wurde von allen nur Tasso genannt, weil jeder der mit ihm zu tun hatte, an einen tasmanischen Teufel dachte. Er hatte mehrere Banken überfallen, die dabei verwundeten Polizisten waren in seinen Augen nur Berufsunfälle. Als er gestellt wurde, war seine Millionenbeute genauso unauffindbar wie sein Komplize - von dem hatte er sich getrennt - es war ein tiefer schmerzhafter Schnitt, wie er sagte.

Wie alle schlechten Menschen machte sich Tasso nichts aus Weihnachten. Er wollte nur ausbrechen und seine Millionen verprassen. So saß er einsam und zornig auf seiner Pritsche und schmiedete finstere Pläne. Er lachte grimmig, statt den Fluchtplan weiter auszubaldowern schweifte er schon wieder ab: Sein Vater, das war ein Kerl gewesen: Harry der Schränker wurde er immer nur genannt. Er hatte Pranken, damit hätte er zur Not auch einen Geldschrank ohne Werkzeug aufbekommen. Ha und seine Mutter, die flotte Elly, die war aber auch nicht ohne. Sie kannte sogar einige Senatoren - beruflich. Aber als sie Harry traf, gab es nur noch ihn und bald darauf kam Tasso auf die Welt. Sie wollten auf "ehrlich machen", aber was hat´s ihnen gebracht? Statt lohnender Brüche, eine miese Kneipe: Harrys Hafenschänke, sein Zuhause.
Harry war am Ende fast blind, der billige Fusel war wohl daran schuld. Aber sein Abgang hatte wirklich Klasse, eben doch ein Teufelskerl, als er verblutete gab es kein Gejammer. Nein, er rief nur "Diabolo"

Tassos finstere Erinnerungen wurden unterbrochen: Plötzlich war Schlüsselgeklappere zu hören. Die schweren Riegel wurden aufgeschoben. Tasso konnte es nicht fassen, ein alter Mann im Weihnachtsmannkostüm stand in der Tür. Der alte Mann lächelte ihn ohne Vorbehalt freundlich an: "Frohe Weihnachten Tasso, wieso feierst du nicht mit den anderen? "Ich und feiern, pah, kindisches Getue, ich bin Tasso das Tier." Ts, Ts machte der alte Mann nachdenklich, ein schwerer Fall, aber nun gut, was wünscht du dir? "Ich will hier raus!!!" Der Alte schaute lange und durchdringend in Tassos` Raubtieraugen. Und dann sagte er: "Na gut, hier sind die Schlüssel, nimm meine Mütze und meinen Mantel, in der Tasche ist ein künstlicher Bart, damit kommst du ohne Probleme aus dem Gefängnis. Aber sei um Mitternacht wieder hier, dann muß ich zurück."

Ohne lange zu überlegen schlüpfte Tasso in den roten Mantel, nahm den Generalschlüssel an sich und schlug hart und erbarmungslos zu. Der alte Mann sank ohne einen Seufzer zusammen. Tasso zerrte ihn auf seine Pritsche und sah sein altes dünnes Genick - nur ein kurzer Ruck, ein häßliches Geräusch und es würde keinen Zeugen geben. Tasso lachte wie eine Hyäne: "Es ist Weihnachten und ich schenke dir das Leben alter Mann." Das war wohl die erste gute Tat in Tassos` Leben.

Wie der Alte gesagt hatte, gelang Tasso mit dem Schlüssel durch alle Türen und Absperrungen. Keine Wache hielt ihn auf, wer kontrolliert auch den Weihnachtsmann? Fröhlich pfeifend eilte er zum Anstaltsparkplatz, knackte mit hämischer Freude das Auto des Direktors und brauste in den Abend davon. Er fuhr ohne Umwege zum Versteck seiner Beute. Was für ein Fest, der Seekoffer mit der Beute war unberührt. Er wunderte sich nur, wieso lag denn sein uraltes Spielzeug auf den Geldscheinen? Diese zwei roten Hozkegel, die er mit einer Schnur an zwei Stäben durch die Luft wirbelte. Seine Mutter hatte immer gesagt: Das ist ein ganz besonderes Geschenk vom Papa, mit dem ersten ehrlichen Geld gekauft. Wie hiess das Spiel denn nur? Ach sentimentaler Unsinn, ich bin Tasso das Tier und jetzt habe ich 10 Millionen guter Gründe Weihnachten zu feiern! Als erstes die Präsidentensuite im besten Hotel der Stadt und dann nur noch feiern. (Tasso dachte natürlich nicht an ein ruhiges, besinnliches Weihnachtsfest.).

Als er den Koffer zum Auto schleppte, sah der Himmel wie ein Teller Gefängnis Bohnensuppe aus. Es hatte begonnen zu schneien und nun war es schon ein dichtes Schneetreiben. Statt in sein neues Leben zu rasen, schlich er in dem schweren Direktor Wagen nur über die Strassen. Aber jetzt begann sein neues Leben. Nie wieder Bohnensuppe und diese Pflichtbesuche beim Anstalts Psycho. Diese Reden immer, über die tiefen Verletzungen, die er Tasso, wohl nie verarbeitet hätte. Ach und diese endlose Fragerei: "Wieso konnten sie nie mehr weinen - seit damals? Weinen befreit, es ist keine Schande..." Den Arm hätte ich ihm dafür brechen sollen! Keine Ahnung hat diese halbe Portion, was echte Kerle und Klasse ausmacht. Er weiss es seit er neun Jahre alt war, als sein Vater starb.

Es war am frühen Abend gewesen, Tasso sass oben auf dem Treppenabsatz und schaute zu, wie Vater hatte gerade die Kneipe öffnete, als diese beiden Leichtmatrose hereinkamen. Einfach nur die Kasse mitnehmen, ein fast Blinder, das ist eine Kleinigkeit dachten die wohl. Ein schrecklicher Schrei, als Harry der Schränker blitzschnell und gnadenlos zupackte. Der möchtegern Dieb rannte als hätte er den Teufel gesehen, dabei war es nur sein eigener Knochen, der aus der Jacke ragte. Aber die andere Hyäne hatte auf einmal ein Messer in der Hand und rammte es Harry in den Bauch. "Diabolo" fluchte Tasso laut, als er daran dachte.

Endlich erreichte er die Stadt und fuhr zum Hotel seiner Wahl - den Wagen ließ er mit steckenden Schlüssel stehen - es gab genug Automarder, die sich freuen würden. Als Weihnachtsmann verkleidet schlenderte er gutgelaunt auf das imposante Portal zu. Seine Millionen wippten fröhlich im Sack auf seiner Schulter. Vor dem Eingang standen drei kleine Jungs und sangen krächzend Weihnachtslieder. Ihren blaugefroren Nasen nach taten sie das wohl schon seit ein paar Stunden. In dem Alter habe ich Automaten geknackt wenn ich Geld wollte, dachte Tasso. "OOH, der Weihnachtsmann." Die kleinen Bälger umringten ihn und hingen an ihm wie die Kletten. "Macht was vernünftiges wenn ihr Geld wollt, von mir bekommt ihr keines." "Aber du bist doch der Weihnachtsmann; wir wünschen uns..." "Nichts da, ich will meine Ruhe haben!""Ach, nur ein kleines Geschenk für jeden, wir tauschen es dann schon selbst in Geld um." "Diabolo" fluchte Tasso. "Geldgierige Kröten seit ihr, außerdem bin ich nicht der Weihnachtsmann, seht ihr." Dabei riß er sich wütend den künstlichen Bart vom Gesicht. "Ach ja, wir können es sehen, aber Klaus ist blind." Erst da fiel Tasso die dunkle Brille eines der Jungen auf.

"Wieso sagst du Diabolo, hast Du so ein Spielzeug? Das wäre toll zum tauschen." meinte der kleine Klaus. Diabolo - nicht der Teufel - Diabola das alte Spielzeug in seinem Beutesack. Dann hat Vater gar nicht den Teufel zu seinem Ende gerufen? Was sagte Mutter immer. "Mit ehrlichem Geld gekauft, etwas ganz besonderes..."

Tasso stand ziemlich fassungslos da: "Äh Jungs, wieso wollt ihr eigentlich Geschenke zu Geld machen?" "Unser Bruder ist blind und unsere Eltern können sich die Operation nicht leisten." "Ach und wer macht solche Operationen?" "Dr. Lafitte, er wohnt hier in einer Suite, deswegen singen wir ja vorm Hotel, damit wir ihm gleich das Geld bringen können. Wir haben schon über fünf Euro. Aber jetzt laß uns weitersingen, du bist ja nicht der Weihnachtsmann." Krächzend hob der Weihnachtsgesang wieder an, nur diesmal noch mutloser wie vorher. Tasso stand fassungslos da. Er schluckte heftig und hatte das Gefühl, daß sein steinernes Herz plötzlich warm und weich würde. Umständlich band er sich den Bart wieder um: "Äh Kinder, ich bin wirklich der Weihnachtsmann ich hab nur Spaß gemacht, ich bin wohl etwas überarbeitet, kommt mit." Ein Kreischen und Jubeln setzte an. Entschlossen stapfte der Weihnachtsmann mit drei Kindern im Schlepptau ins Luxushotel.

Minuten später stand er mit seiner Schar vor der Suite (Wer hält schon den Weihnachtsmann in dringender Mission auf?). Donnernd schlug seine gewaltige Faust gegen die schwere Tür. "Aufmachen, hier spricht der Weihnachtsmann." Zögernd wurde die Tür aufgezogen. Ein zierlicher Mann lugte verunsichert durch den Spalt. "Sind sie Lafitte?" "Professor Laf..." Mit einem Ruck drückte Tasso die Tür auf, und der Professor landete unsanft auf dem Boden. "Sie kennen den Jungen?""Ja ich kenne den Fall, ein komplizierter Eingriff." "Sie meinen wohl teuer.""Ähm ja, auch das. Aber außerdem hat der Senat keine Gelder für eine Spezialklinik." "Ach und was kostet das?""So ca. 10 Millionen." Dem souveränen Weihnachtsmann wurde kurz schwach, aber dann streckte er sich zur vollen Größe: "Ho, ho, das ist ja genau die Summe, die ich in meinem Sack habe." Mit einem Schwung schüttete er die gesamte Beute vor dem schockierten Mediziner aus. "Und der Junge wird noch heute operiert." "Völlig ausgeschlossen, heute ist Weihnachten." Tasso faßte den kleinen Mann ganz sanft mit seiner Pranke an der Kehle, fixierte ihn scharf mit seinen stechenden Augen und sagte nur: "Und weil Weihnachten ist wird operiert." Dagegen gab es kein Argument mehr.

Tasso machte sich mühsam von den Kindern frei, die ihn umarmten, um ihn herumtanzten und ihn hochleben ließen. "Ich muß gehen, es gibt noch soviel zu tun - und ich will Weihnachten feiern - und Diabolo spielen..." Er wunderte sich nicht, als er das offene Auto noch am selben Platz vorfand, schließlich haben Autodiebe an Weihnachten ja auch ein Herz. Er raste durch die dunkle Stadt und machte sich furchtbare Sorgen um den alten Mann, den er brutal geschlagen hatte. Er stellte den Wagen auf seinen Platz und gelangte wieder unentdeckt ins Gefängnis. Er hastete mit donnernden Schritten durch die leeren Gänge. "Mein Gott, wenn der Alte gest... - nein, das durfte nicht sein." Mit fliegenden Fingern schloß er seine Zelle auf. Was für eine Erleichterung, der alte Mann saß gemütlich auf der Pritsche und schmauchte ein Pfeifchen. "Du bist nicht verletzt?" "Aber nein Tasso, kein Mensch kann mich verletzen." Fassunglos gab ihm Tasso seinen roten Mantel zurück."Wer bist du? Bist du etwa wirklich..." "Aber ja Tasso, es gibt mich wirklich. Es wird mich immer geben, solange noch ein Kind auf der Welt an mich glaubt. Leb wohl."

Dabei schien er einfach durch die stählerne Tür zu gehen. Tasso, der nie wieder so sein sollte wie früher, stotterte nur atemlos:

"Frohe Weihnachten."

Dem kann sich der Erzähler nur anschließen.


Yven Dienst

 






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