Abend

Gestürzt sind die goldenen Brücken,
und unten und oben so still!
Es will mir nichts mehr glücken,
ich weiss nicht mehr, was ich will.

Von üppig blühenden Schmerzen
Rauscht eine Wildnis im Grund,
da spielt wie in wahnsinnigen Scherzen
das Herz an dem schwindligen Schlund.

Die Felsen möchte ich packen
Vor Zorn und Wehe und Lust,
und unter den brechenden Zacken
begraben die wilde Brust.

Da kommt der Frühling gegangen
wie ein Spielmann aus alter Zeit
und singt von uraltem Verlangen
so treu durch die Einsamkeit.

Und über mir Lerchenlieder
Und unter mir Blumen bunt,
so werf ich im Grase mich nieder
und weine aus Herzensgrund.

Da fühl ich ein tiefes Entzücken,
nun weiss ich wohl, was ich will,
es bauen sich andere Brücken,
das Herz wird auf einmal still.

Der Abend streut rosige Flocken,
verhüllt die Erde nun ganz,
und durch des Schlummernden Locken
ziehn Sterne den heiligen Kranz.

Joseph von Eichendorff


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